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Gartner Bernhardhttps://wuerzburgwiki.de10 Jahre im Goldenen Kinderdorf Würzburg

 Ich möchte mich kurz vorstellen: Mein Name ist Bernhard Gartner, ich bin Jahrgang 1967 und kam im Herbst 1999 als Erzieher ins Goldene Kinderdorf, wo ich im Laufe meiner Tätigkeit verschiedene Bereiche der Jugendhilfe kennenlernte.

  • Leitung Betreutes Wohnen
  • Gruppendienst in Haus 2
  • Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung (MAV)
  • Hausleitung in Haus 4

 1999 wurde ich vom damaligen Kinderdorfleiter Norbert Boos für den 1998 neu eingerichteten Zweig Betreutes Wohnen in Haus 47 eingestellt.

Es gab damals einige männliche Jugendliche, für die eine Ausbildung oder weiterführende Schule anstand und die eine spezielle Betreuung bis hin zur Verselbständigung brauchten. Aus diesem Grund war das Haus Nr. 47 (gegenüber des Kinderdorfs) erworben und für diesen Zweck umgebaut worden. Die Einweihung mit Gottesdienst gestaltete damals Pfarrer Albert (1. Vorsitzender des Trägervereins) im Garten von Haus 47, mit anschließender Gartenparty.

Ich arbeitete zunächst mit fünf, später mit sechs Jungen zwischen 16 und 18 Jahren und unterstützte sie bei der Suche nach Lehrstellen, im Umgang mit Behörden und bei den alltäglichen Dingen im Haushalt. Es wurden Regeln und eine Hausordnung erarbeitet und bald entstand zwischen uns eine gute Vertrauensbasis.

An einige Projekte mit Praktikanten erinnere ich mich, z. B. “Ein Teil von mir” mit Martin Neumann, der später in Haus 3 sein Berufspraktikum leistete. Ziel des Projekts war es, den Jugendlichen eine kreative Form der Selbstdarstellung zu ermöglichen. Durch das Anbringen der Bilder im Haus sollte außerdem ein “bleibendes Gestaltungselement” für das Haus entstehen.

 In meine Zeit im Betreuten Wohnen fiel damals die 3. Austragung des Kinderdorf-Cups der Kinderdörfer in Deutschland im Juni 2000 mit fast 200 Teilnehmern. Die Idee, den Wettbewerb in Würzburg auszutragen, entstand im Vorjahr im Caritas-Kinderdorf in Irschenberg. Wir konnten Herrn Boos von unserer Idee überzeugen und so liefen die Vorbereitungen im ganzen Kinderdorf auf dieses Ziel hin. Alle Erzieher und Praktikanten halfen mit, das Vorhaben in unserer vergleichsweise kleinen Einrichtung zu verwirklichen. Es war eine Menge Arbeit, Planung und Organisation nötig, aber es hat sich gelohnt. Wichtig war diese Veranstaltung vor allem für das Gemeinschaftsgefühl im Kinderdorf. Unsere “Großen” (über 15 Jahre) aus dem Betreuten Wohnen und den Häusern trainierten sich selbst sehr erfolgreich und nahmen auch die jüngeren Kinder mit, so dass am Ende ein 1. und zwei 2. Plätze in Fußball und Streetball erzielt wurden. Die Pokale stehen heute im Gartenhaus des Kinderdorfs.

Wir warben im Vorfeld  bei vielen Firmen um Unterstützung, die auch reichlich gewährt wurde.

Zum Beispiel sponserte eine Brauerei aus Werneck sämtliche Limonadengetränke, es kamen etliche Geldspenden und ganz toll war die Unterstützung der Keesburger Firmen und des Sportvereins Sieboldshöhe, wo die Wettbewerbe stattfanden. Sehr wichtig war auch die Unterstützung durch die Pfarreien und die Pfarrgemeinderäte, die ihre Räume zur Übernachtung und zur Verpflegung der vielen Teilnehmer zur Verfügung stellten. Wer nicht dort oder im Kinderdorf unterkam, übernachtete in Zelten in der Anlage oder im Garten unserer Einrichtung.

Die Mannschaften aus 12 deutschen Kinderdörfern reisten am 15. Juni 2000 an und wir alle trafen uns abends zur Eröffnung und zum Kennenlernen auf dem großen Sport- und Spielplatz an der Frankenwarte. Die Eröffnungsrede hielt der damalige Oberbürgermeister Jürgen Weber, Schirmherr der Veranstaltung und Nachbar auf der Keesburg. TV-Touring war vor Ort und berichtete über das Event.

Nach einem Grillimbiss am Abend fuhren dann alle ins Kinderdorf und bezogen ihre Quartiere. An den  nächsten beiden Tagen liefen die verschiedenen Wettbewerbe (Fussball, Streetball unter 15 und ab 15 Jahre und eine Gaudi-Olympiade).

Bei der Abschlussfeier mit Gottesdienst  auf dem Turnierrasen des Sportvereins Sieboldshöhe bekam jeder Teilnehmer einen kleinen Pokal. Danach ging s auf die Heimreise.

Alle waren sich einig: das war eine gelungene Veranstaltung, die viel Spass gemacht und die Verbundenheit im Kinderdorf gestärkt hat.

Im Frühjahr 2001 zeichnete sich ab, dass die meisten Jugendlichen aus dem Betreuten Wohnen in die Selbständigkeit entlassen werden konnten, so dass ich Zeit bekam und oftmals im Gruppendienst aushalf. Im Herbst wechselte ich dann ganz als Erzieher nach Haus 2, wo ich im Laufe der Jahre mit verschiedenen Kollegen/innen zusammenarbeitete und einige Berufspraktikanten/innen ausbilden durfte.

Es war eine gute Gemeinschaft und ich habe viele positive Erinnerungen an diese Zeit.

Unsere Hausleitung gab uns viel Raum für Projekte und Gestaltung in Haus und Terrasse. Außerdem beteiligte ich mich gern an hausübergreifenden Aktionen wie Gartengestaltung, Vorbereitung von Faschingszügen, Zeltlager in Zirndorf oder Mitorganisation einer AGkE-Wallfahrt in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband für die Diözese Würzburg.

Neben meiner beruflichen Tätigkeit absolvierte ich seit 1998 meine Ausbildung zum kath. Diakon, die 2002 mit der Weihe im Dom durch Bischof Paul Werner Scheele abgeschlossen wurde. Für die nebenberufliche Tätigkeit als Diakon wurde ich in der Pfarrei St.Alfons, Sieboldshöhe, beauftragt. So ließen sich die hauptberufliche und die ehrenamtliche Tätigkeit gut miteinander verbinden.

2005 fand eine MAV-Wahl statt, bei der ich mich als Mitarbeitervertretung zur Wahl stellte und auch gewählt wurde. Von 2005 bis 2009 nahm ich als Vorsitzender der MAV diese zusätzliche Aufgabe wahr, die mir schon immer ein Anliegen war.

2006 kam es dann durch Rückführung bzw. Entlassung mehrerer Kinder zu einer wirtschaftlich schwierigen Lage im Kinderdorf. Vorstand und Leitung entschlossen sich dazu, ein Haus zu schließen und die Entlassung von zwei Mitarbeiterinnen stand an. Es gab zu der Zeit kaum Aufnahmeanfragen. Die MAV beriet immer wieder, wie das Problem gelöst werden konnte. So entwickelte sie ein Solidarmodell und wir warben bei den Mitarbeiterinnen um Beteiligung. Viele stimmten zu und gaben Stunden ab, d. h. sie verzichteten auf einen Teil des Gehaltes, um den Arbeitsplatz der Kolleginnen zu sichern. Auch der Vorstand des Trägervereins konnte von diesem Modell überzeugt werden, so dass unsere Vorschläge erfolgreich umgesetzt werden konnten.

Im Spätsommer 2007 wurde Haus 4 dann unter meiner Leitung wieder eröffnet. Das erste Kind konnten wir in den Ferien im August aufnehmen und dieser Junge verbrachte mit uns den Familienurlaub.

Nach und nach kamen durch Neuaufnahmen weitere Kinder und das Haus füllte sich wieder. Inzwischen waren zwei Mitarbeiterinnen und eine Praktikantin für Haus 4 gefunden worden. Das neu eröffnete Haus wurde von allen gemeinsam neu gestaltet, so dass sich Bewohner und Mitarbeiter/innen gut einleben konnten.

Auch hier gab es dann gemeinsam verbrachte Hausurlaube und Zeltlager. Eine schöne Sache waren auch die Hausgottesdienste im Gartenhaus oder im Wohnzimmer von Haus 4, die wir als kindgerechte Alternative am Sonntagmorgen feierten.

Meine Familie war inzwischen gewachsen (zwei Kinder) und die Tätigkeit als Diakon wurde mir zunehmend wichtiger. Durch die Nacht- und Wochenenddienste war ich oft nicht zuhause und meine Kinder und meine Frau vermissten mich spürbar. Ich entschloss mich daher, die Arbeit im Kinderdorf zu beenden, um ganz als Diakon zu arbeiten. Ich wurde in den oberfränkischen Raum (Haßberge) entsandt.

Zusammenfassend möchte ich sagen, die fast 10 Jahre im Goldenen Kinderdorf waren ein wesentlicher Abschnitt meines Lebens, in dem sich viel bei mir entwickelt hat, familiär und beruflich. Es war eine Zeit, in der ich sehr viel dazu lernen durfte. Es gab sehr schöne und angenehme Zeiten im Kinderdorf, manche waren aber auch schwierig.

In fast zehn Jahren als Mitarbeiter war das Kinderdorf eben nicht nur Arbeitsplatz. Viele Lebensbereiche hatten sich überschnitten und ich konnte viel Schönes, aber auch Schwieriges erleben. Diese Zeit ist für mich ein wichtiger Teil meines Lebens, so dass ich mich dem Kinderdorf nach wie vor verbunden fühle.

Nach meiner beruflichen Veränderung bin ich deshalb dem Trägerverein Kind und Familie e. V. beigetreten und habe den Kontakt zum Kinderdorf, sowie zu einigen, jetzt ehemaligen Kolleginnen gepflegt.

Ich wünsche dem Goldenen Kinderdorf weiterhin eine positive Entwicklung und möchte es dabei als Mitglied von Kind und Familie e.V. unterstützen. 

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